Und da war es schon wieder so weit, für uns stand das jährliche Freizeitlager in Mainz an. Mit gemischten Gefühlen trafen wir uns am Nettoparkplatz, denn wir wussten, dass uns eine Woche voller Spaß, aber auch Schmerzen bevorstand. Als dann erst einmal die Sachen in den Autos verstaut waren, fuhren wir pünktlich in Richtung Rheinland-Pfalz. Nachdem wir alle Sachen in unserem Turnerheim verstaut und uns nach der spontanen Zimmeraufteilung in unseren Zimmern eingerichtet hatten, ging es auch schon direkt weiter zu unserem ersten Training in die Traglufthalle. Hatte man sich erst mal an die etwas ungewohnte Luft einer Traglufthalle gewöhnt, verging das Training relativ schnell.

Unser Wunsch nach einem Eingewöhnungstraining wurde erfüllt, jedoch wussten wir auch, dass die folgenden Stunden im Wasser alles andere als entspannt werden würden. Auf der Rückfahrt zur unserer Unterkunft machte sich schon eine riesige Euphorie in den Bullis breit: Hildes und Annes, wie jedes Jahr üblich, herzhaft zubereitetes Essen! Da wir die Sitzplätze des letzten Jahres einhielten, hielt sich der Kampf um die Plätze im Rahmen, denn Essen war wie immer genug für jeden da. Erschöpft von der Fahrt und vom Training, war schnell Nachtruhe und alle gingen glücklich in die Betten. Doch unerwartet nicht für alle. Nach Leons morgendlicher Frage: „Habt ihr alle gut geschlafen?“, wurde allen das Leid von Kai mitgeteilt, der seine Nacht im Hochbett neben Leon verbringen musste und dieser nicht nur schnarchte, sondern undefinierbare Geräusche von sich preisgab, die Kai zuvor noch nie gehört hatte. Ab dem Zeitpunkt begab Kai sich in Einzelarrest und konnte sich glücklich schätzen, dass noch ein Zimmer für ihn frei war.

Nach dieser für Kai nicht gerade geruhsamen Nacht ging es mit bangen Erwartungen zur Schwimmhalle. Wir wurden fröhlich mit einem pfälzischen „Mooorsche!“ von der Kassiererin begrüßt und weitergeschleust. Dieses „Morsche“ versüßte uns einige Gänge in die Halle. Und dieses Training hatte es dann in sich und zeigte uns, wie es wohl die nächste Woche ablaufen würde. Dadurch, dass wir die ganze Halle für uns alleine hatten und jeder seine eigene Bahn hatte, wurde es nicht gerade angenehmer. Aus diesem Grund hatten wir um uns zu entspannen erst einmal frei. Das gute Wetter lud uns zu einem Spaziergang zum „Rhein-Strand“ ein. Im Entenmarsch liefen wir durch den Wald auf der Suche nach dem “Strand”. Doch nach ein paar hundert Metern stellte sich heraus, dass dies nicht ein Strand war, wie wir ihn uns vorgestellt hatten, sondern eher ein kleiner Sandfleck. Trotzdem wurde die Zeit draußen ausgenutzt, um auf Bäume zu klettern, Boe zu beschäftigen und zum Geocachen. Dabei entpuppte Heinz sich als Handtaschenliebhaber, denn er trug freiwillig Cathy’s Tasche. Die schöne Location wurde dann auch noch für ein Fotoshooting a la Germany’s Next Topmodel genutzt. Innerhalb von drei Sekunden musste eine vorgegebene Situation bzw. Stimmung dargestellt werden. Die letzte Idee wurde von uns am besten umgesetzt, denn diese war, Marina und Birte darzustellen. Alle vielen sich direkt in die Arme. Doch keiner konnte deren Freundschaft so gut darstellen wie die beiden selbst. Als jedoch das Kommando: „MAX-Training“ kam, wusste jeder sofort, der Spaß war nun an dieser Stelle vorbei und es ging zum anstrengenden Training.

Gaby ließ sich nicht auf zeitraubende Toilettenpausen ein, da sie pünktlich zu ihrem Tatort zu Hause sein wollte. Das geplante Heimkino schrumpfte jedoch auf einen 10 x 15 cm kleinen Bildschirm, da sie ein passendes Kabel für den Beamer vergessen hatte. Wir ließen uns jedoch nicht dadurch den Abend verderben und kuschelten uns allesamt vor den Fernseher. Obwohl ohnehin schon jeder vom guten Essen satt war, bereiteten Anne und Hilde mühsam Obstteller für uns vor. Nachdem dann der Täter gefasst wurde und Marloes ihr Trauma des Mordes verarbeitet hatte, legten wir uns alle erschöpft schlafen.

Morgens nach dem Training, wobei Fridi und Leon aufgrund bevorstehender Prüfungen morgens dem Training fernblieben, hieß es für uns: „Glück auf, willkommen Untertage!“, und es ging in die spannende Mainzer Unterwelt. Jedoch war der Tagespunkt nicht wie von uns erwartet ein Bergwerk, sondern ein unterirdischer Gang, der zum Beispiel in beiden Weltkriegen zur Flucht und Abwehr diente. Marina, Birte und Leon waren zwischendurch verschwunden und „keiner“ wusste wo sie waren. Die dunklen, angsteinflößenden, engen Gänge entpuppten sich als eine Art Gruselbahn für Marloes, die noch verstört vom Tatort war. Nachdem sich jeder im Erschrecken versucht hatte, ging es wieder in Richtung Traglufthalle. Mit Adrenalin im Blut überstanden wir auch dieses Training.

Nach dem gestrigen Ausfall des Heimkinos musste dies natürlich heute nachgeholt werden. Das passende Kabel war besorgt, sich auf einen Film geeinigt und als jeder seinen Platz einnahm, konnten wir schön alle zusammen „Die Millers“ gucken. Und damit hatte dann auch endlich jeder Reyk’s Lieblingsstelle aus dem Film gesehen, die er in den letzten Wochen wohl jedem mindestens 5x vorgespielt hatte. Da wir erst später mit dem Film starten konnten, da Reyk und Cathy, anstatt eine kurze Runde, gefühlt einmal rüber nach Wiesbaden mit dem Hund gelaufen sind, beeilten sich alle nach dem Film schnell ins Bett zu kommen um noch ordentlich Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln. Bis auf Reyk, Lukas und Leon, die sich noch zu einer kleiner Handyrunde trafen und die letzten Nachrichten schrieben, bevor sie das Handy abgeben mussten.

Am nächsten Morgen ging es nach der morgendlichen Diskussion von Heinz und Hilde, ob die Brötchen denn wohl jeden Tag kleiner werden würden oder nicht, zum nächsten Training. An diesem Morgen hatten wir wieder unsere alt bekannte Olympiaschwimmerin im Freiwasser neben uns auf der Bahn, plus einen Jungen, den wir noch nicht kannten, der aber genau die gleichen Kilometer wie die andere Athletin schwamm. Natürlich musste Gaby sich da erst einmal erkundigen, wer das wohl sei. Zuerst durch das Internet, dann auch noch persönlich wurden die wichtigsten Informationen gesammelt und wir staunten nicht schlecht als wir hörten, dass der Junge in unserem Alter sei und wie viele Kilometer er am Tag schwimme. Wenn man so was hört, ist man doch manchmal ganz froh bei Waspo zu schwimmen, auch wenn man sich das während eines MAX-Trainings schwer eingestehen kann.

Am Nachmittag war dann der Besuch im Recycling-Museum geplant. Alle erwarteten ein großes Gebäude oder vielleicht sogar eine kleine Fabrik. Mit diesem Bild im Kopf war es dann umso schwerer, das Museum zu finden, denn dies war eher eine Schaufenster-Ausstellung, die wir in 10 Minuten abgeklappert hatten. Da Gaby damit nicht gerechnet hatte und sonst auch nichts anderes geplant hatte, hatten wir nun die freie Wahl zwischen Stadtbummel oder Rückkehr zur Unterkunft. Da die meisten kein Geld dabei hatten, entschieden sich doch viele für die Fahrt zur Unterkunft. Klar war, dass Kai in der Stadt blieb, auch wenn er kein Geld dabei gehabt hätte, aber einfach um schon einmal Ausschau für den morgigen Tag zu halten, und Reyk als Fahrer hatte die Aufgabe die „Stadtleute“ wieder nach Hause zu bringen. Die anderen beschlossen zusammen einen Frozen Yoghurt zu essen und Marina und Birte nahmen es mit der Mission Boe auf. Und obwohl Boe sich auf der Hälfte des Weges von dem Rest seiner „Schafsherde“ trennen musste und ihm das doch schwer fällt, haben die beiden „Kleinen“ es geschafft mit ihm spazieren zu gehen. Nach der mittaglichen Kuchenpause war dann auch schon wieder Training angesagt. Doch dieses Mal gab es was zu gucken, denn drei Bahnen weiter hatte ein anderer Verein die Bahnen besetzt. Reyks erster Kommentar war: „Ui Mädels, da habt ihr aber was zu gucken!“, was auf die Körper der Jungs abzielte. Doch im Nachhinein waren die Jungs fast noch beeindruckter als die Mädchen. Kai zum Beispiel fragte auf der Rückfahrt im Bulli, ob wir vielleicht einen kleinen Stopp bei REWE machen könnten, er bräuchte Frustschokolade nachdem er diese gut durchtrainierten Körper gesehen hatte. Und auch bei den anderen Jungs hatten diese einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Manche Mädchen hofften vor jedem Training auf die gleichen Trainingszeiten mit dem anderen Verein, damit dies das Training wenigstens ein kleines bisschen erträglicher mache. Abends wurde dann wieder der Beamer angeschaltet, doch anscheinend war das Training doch ein wenig anstrengender, denn am Ende bestand das Publikum nur noch aus Gaby und Kai. Der Rest lag kaputt in den Betten und sammelte Energie für die nächsten Trainingseinheiten. Und natürlich gab es am nächsten Morgen kein Erbarmen beim Training.

Doch ein Lichtblick für manche war der Shoppingnachmittag. Wir hatten die Auswahl zwischen Shopping in Mainz oder ein Ausflug nach Rüdesheim, was auch ganz nett sein sollte, doch alle entschieden sich für Mainz und somit fuhren die Betreuer halt allein in die benachbarte Stadt. Wir fuhren mit Gruppentickets in der S-Bahn in die Stadt und hatten nun ein paar Stunden für uns zum Shoppen. Doch zu allererst wurden die Geschenke für die Betreuer ausgesucht. Dies ging in diesem Jahr vergleichsweise schnell, da wir in einem riesigen Buchladen für jeden ein Buch mit dem passenden Titel gefunden hatten, wie z.B. das Buch mit dem umgewandelten „Fit wie ein Turnschuh“ (dieses Motto weckt alte Erinnerungen in uns) in „Fett wie ein Turnschuh“. Doch bei diesem Buch hüteten wir uns aus Angst vor noch schlimmeren Training es Gaby zu schenken. Nicht, dass sie uns noch falsch verstehen sollte. Für Heinz war schnell das passende Buch gefunden: „Die Männerschule- 111 Kurse für das schwächelnde Geschlecht“, und das ist er eindeutig in unserem Freizeitlager, zumindest aus Sicht seiner Frau und Hilde, die durchgehend mit ihm meckerten und schimpften. Doch da der Heinz ja kein Sensibelchen ist, provoziert er die Damen lieber mit noch weiteren Sprüchen, manchmal zum Leid, manchmal zur Freude von uns anderen.

Als wir uns nach und nach alle wieder in unserem Turnerheim zusammengefunden hatten, die Jungs ihre neue Errungenschaft, einen steuerbaren Helikopter, ausprobiert hatten und alle sich ein wenig gestärkt fühlten, ging es wieder zu unserem zweiten Zuhause für diese Woche. Und dieses Mal konnten danach fast alle wieder bei dem Film zugucken. Unsere vier Betreuer, bis auf Heinz, der lieber schlafen wollte, gönnten sich mal eine Auszeit von uns und gingen ins Kino. Somit hatten wir sturmfreie Bude, doch da uns sowieso die Energie fehlte, brauchte Gaby sich noch weniger Sorgen zu machen als sonst schon. Am kommenden Morgen erschien dann der Lichtblick als uns allen klar wurde, dass dieser Tag der letzte richtige Trainingstag mit zwei Einheiten sein würde. Schon beim Frühstück bemerkte man, dass die Lautstärke deutlich lauter war als je zuvor. Die Stimmung war ausgelassen, obwohl sich jeder denken konnte: „Letzter Trainingstag, das bedeutet Gaby und Marcel wollen nochmals alles sehen“. Gaby bestätigte diese These dezent mit einem Lächeln und jeder der sie einigermaßen kennt, weiß, dass das nichts Gutes zu bedeuten hat. Als Marcel dann noch die Becher aus dem Bulli mitgenommen hatte, verflog die Euphorie des Morgens vollständig. Die Becher sind nämlich die neue Foltermethode von Gaby und Marcel. Mit einer langen Schnur befestigt an einem Gurt, den man sich um die Hüfte binden kann, erzeugt dies einen starken Widerstand, der sich anfühlt als wenn man einen riesigen Felsen mit sich schleppen müsste. Der Widerstand war für Tina jedoch, im Gegenteil zum Rest der Gruppe, das kleinste Problem. Sie machte sich nämlich um ihren Ruf bei den durchtrainierten Jungs auf der Bahn neben uns Sorgen. „Was denken die denn von uns, wenn wir mit so komischen Blumentöpfen hier rumschwimmen?“ Das Training war lang und hart, doch Gaby fand, dass bei dem Anblick der Jungs das Training doch sehr angenehm sei.

Doch unser straffer Tagesablauf erlaubte uns diesen Nachmittag keine Erholung nach dem anstrengenden Training. Wir durften einen exklusiven Blick in das Fußballerleben des 1. FSV Mainz 05 werfen, in Form einer Stadionbesichtigung der im Jahre 2011 erbauten Coface Arena. Schnell wurden uns die Unterschiede zwischen dem Leben eines Fußballers und dem eines Schwimmers bewusst. Für so viel Luxus müsste man schon Michael Phelps heißen. Bei der Besichtigung der Kabinen sprühten unsere Fantasien. Jeder hatte Ideen und Wünsche für unser neues Hallenbad, das doch bitte auch solche Kabinen für uns vorhalten sollte. Die Jungs waren eher imponiert von den geschätzten 100 Bose Boxen an der Decke, wohingegen die Mädchen die Wahl der Möbel bestaunte. Uns wurde jedoch auch bewusst, dass die Kabinen unseres Hallenbades wohl kaum nach den Regeln des Feng Shuis designed werden würde. Nachdem auch Heinz‘ Fragen vollständig beantwortet waren, ging es für uns zum Training. Da morgens eigentlich schon MAX Training war, dachten alle an ein Langstreckentraining, doch davon kam leider nichts. Eins gab uns dann aber doch noch den Adrenalinkick: Germany’s Next Topmodel! Das hieß wieder für uns: nur eine Toilettenpause, schneller schwimmen und Pausen auf die Sekunde genau einhalten. Im Bulli kam wieder sehr gute Stimmung auf, denn so langsam wurde jedem bewusst, dass man das Härteste geschafft hat und man sich jetzt noch auf einen gemütlichen Abend mit seiner Mannschaft freuen kann. Um die ausgelassene Stimmung noch zu unterstützen, übergab die Mannschaft die Geschenke an die Betreuer und man ließ die Woche noch einmal Revue passieren. Gaby ließ noch anmerken, dass es immer angenehmer für die Betreuer werden würde mit uns wegzufahren, was uns alle sehr schmeichelte und wir uns schon jetzt schon auf das nächste Freizeitlager freuen, denn am Ende dieser Woche waren wir einerseits froh, dass es vorbei war, aber andererseits auch traurig, dass die schöne Zeit so schnell verflogen war. Glücklich, aber erschöpft, gingen wir in unsere Betten und die letzte Nacht ist ja bekanntlich die lustigste. Die Jungs zum Beispiel quetschten sich zu sechs in ein Zimmer, um sich noch einmal die lustigsten Geschehnisse der vergangenen Woche zu erzählen bis Leon wieder anfing seine Laute von sich zu geben, sodass Kai wieder das Zimmer verlassen musste. Sogar Anne im Zimmer nebenan hatte schon Heinz verdächtigt, er würde schnarchen. Somit begann der letzte Morgen mit einer Diskussion, ob Anne oder Heinz lauter schnarchen würde. Geprägt von einer lustigen Auseinandersetzung packten wir unsere Sachen, gingen zum letzten Mal ins Wasser und absolvierten unser letztes Training. Und als das Haus aufgeräumt, die Sachen gepackt und alles in den Autos verstaut war, ging es für die meisten, bis auf Fridi und Kai, auf den Weg nach Üsti zum Zdenek-Vanecek-Gedenkschwimmen. Egal wie anstrengend diese Woche auch war, war es einfach wieder eine einzigartige Lebenserfahrung, die keiner aus der Mannschaft missen möchte und uns alle noch einmal mehr zusammengeschweißt hat.

Kai und Marloes

 

 

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